Die zweite Seminarfahrt: „Die Welt ist in Bewegung – Wo geht es für uns hin?“
Man merkt,
die Zeit vergeht viel zu schnell. Die Hälfte meines Bundesfreiwilligendienstes
ist schon vorbei. Es wurde Zeit für die zweite Seminarfahrt, die diesmal unter dem Motto: „Die Welt ist in Bewegung – Wo geht es für uns hin?“ stand.
Solltest du
den Artikel über meine erste Seminarfahrt gelesen haben, bist du bereits sehr
gut im Bilde, wie sowas abläuft und welche Hintergründe dabei im Raum stehen. Deshalb
werde ich dieses Mal vertieft auf unsere Tagesthemen eingehen. Jeden Tag der
Woche werde ich, so gut es geht, zusammenfassen, sodass ein schöner
Wochenüberblick entsteht.
Am 11. Februar
2019 ging es also für Hannah, mich und die anderen Freiwilligen nach Görlitz.
![]() | ||||
| Die "Skyline" von Görlitz (Peterskirche) |
Die Stadt
ist die östlichste Deutschlands. Es gibt eine deutsche und eine polnische
Seite. Wenn man sich an den vielen aus dem Barock und der Renaissance
stammenden Häuserfassaden sattgesehen hat, lohnt sich der Spaziergang über die
Neiße auf die polnische Seite. Dort kann man sehr lecker und vor allem günstig
essen.
Der Montag war vor allem Anreisetag. Und
wie hätte es anders sein können; es gab mal wieder Turbulenzen.
Die
Begrüßung war überaus herzlich und beschwingt, was mir gleich ein gutes Gefühl
vermittelte.
Da die
meisten aus den verschiedensten Ecken Sachsens anreisten, erreichten sie
Dresden auch auf unterschiedlichen Bahnhöfen. Der Zug, der meine Gruppe zu ihrem
Anschlusszug und damit zum Rest der Freiwilligen bringen sollte, fiel natürlich
aus. Wir mussten uns also schnell einen Plan B ausdenken. Zwischendrin
erschienen manche Leute entweder gar nicht, verschwanden irgendwo oder tauchten
urplötzlich und ganz unerwartet wieder auf. Leicht abgehetzt, unsere
Musikinstrumente (darunter auch ein Kontrabass) und Koffer schleppend,
schafften wir es dann doch noch rechtzeitig. Wir stießen auf den Rest der
Truppe und konnten vollzählig den Zug Richtung Görlitz nehmen.
Eigentlich
hielt ich ja immer noch an dem alten und staubigen Klischeebild einer Jugendherberge
fest. Schloss Colditz sah ich stets
als eine glückliche Ausnahme. Aber auch die Jugendherberge
Görlitz Altstadt sollte mich vom ersten Moment an begeistern. Direkt in der
inneren Altstadt gelegen, überzeugte sie mit großen offenen Räumen, die durch
viele Glaswände immer mit hellem Tageslicht durchflutete waren. Unser
Seminarraum war riesig groß und es gab genügend Platz, um in Gruppen zu
arbeiten, einen (endlich mal nicht bohnenförmigen, sondern runden) Stuhlkreis
zu bilden oder zu tanzen.
Thematisch
gesehen, frischten wir einige Namen auf und lernten einander durch ein paar
lustige Fun-Facts über uns selbst noch besser kennen. Anschließend berichteten
wir in kleineren Gruppen von den Entwicklungen am Arbeitsplatz. Da wir uns alle
nicht mehr in der Einarbeitungsphase befinden, war es sehr schön, zu erfahren,
wer ähnliche Aufgabenbereiche hat. Gleichzeitig tauschten wir uns über die
positiven und negativen Aspekte unserer Arbeit aus und stellten unsere Projekte
vor. Viele stehen noch am Anfang der Projektplanung. Andere stecken, wie ich,
schon mitten drin. Ein paar sind sogar schon fertig. Freiwillige unterstützen
sich natürlich auch untereinander. In meinem Fall wurden Vorschläge gemacht,
wie ich mehr Reichweite für den Blog erzielen könnte, um so viele Menschen wie
möglich auf den Bundesfreiwilligendienst aufmerksam zu machen.
Außerdem berichtete
ich zusammen mit unserem zweiten Gruppensprecher über die bisherige
Sprecherarbeit.
![]() |
| Maskottchen Petrie hatte immer einen Ehrenplatz |
Dieses nette Plüschtier habe ich nämlich spontan zu unserem Maskottchen ernannt. Eigentlich besitze ich schon viel zu viele Stofftierchen, aber an „Petrie“ konnte ich einfach nicht vorbeigehen. Deshalb ist seine jetzige Aufgabe als Schutzpatron der Freiwilligen wohl eher eine Ausrede gewesen, um ihn doch zu kaufen.
Das
Überthema für den Tag lautete Identität.
Ab dem zweiten Seminar, planen die Freiwilligen die Woche über selbst. Die
Themenwünsche, die wir bei der letzten Seminarfahrt äußern durften, wurden in
einer Stationsarbeit umgesetzt. Teilweise entstanden sehr intensive
Gesprächsrunden. Zum Beispiel zum Thema Druck
von außen und innen, wo ich wirklich über mich selbst und meinen bisherigen
Lebensweg nachdenken und für mich reflektieren konnte. An anderen Stationen
sprachen wir über unsere Ziele im Leben oder Sehnsüchte, die wir verspüren. Wir
redeten über Mantras oder Dinge, die uns wieder auf den richtigen Weg führen,
wenn wir davon abkommen. Oder wir tauschten uns über unseren Musikgeschmack und
die nächsten Urlaubsziele aus.
![]() |
| "Gib`s doch zu, du bist verliebt" - mein Lieblingsdesign an diesem Abend |
Am Abend
folgte ein kleiner Batikexkurs, bei dem sehr viele schöne Designs entstanden und
anschließend tanzten wir Swing bis uns die Puste ausging.
Am Mittwoch drehte sich alles um Normen und Vorurteile in der Gesellschaft. Auch hier wurde die Seminareinheit am Vormittag von Freiwilligen unserer Seminargruppe geleitet. Es wurde viel diskutiert, wie man beide Begriffe denn nun definieren könnte. Schließlich bekam jeder eine Rolle zugewiesen und sollte sich dann entsprechend vorgegebener Alltagssituationen im Raum platzieren. Auch hier wurde mir der Eulenspiegel vor die Nase gehalten, denn nur ein Bruchteil unserer Minigesellschaft, die wir in diesem Moment widerspiegelten, war kaum eingeschränkt von den Normen und Vorurteilen der heutigen Zeit.
Am
Nachmittag redeten wir in zwei Gruppen über Rassismus
und Sexismus. Während des Vortrags
über Rassismus wurde mir erschreckend schnell bewusst, dass dieser trotz
unserer ach so aufgeklärten Welt immer noch fest in unserer Kultur verankert
ist. Auch wenn wir als Nichtbetroffene nur wenig davon mitbekommen. Den
Workshop über Sexismus leitete eine Gastreferentin. Ich selbst, konnte zu dem
Thema nicht wirklich viel beisteuern, da ich nur wenig Erfahrung diesbezüglich
gesammelt habe. Aber auch hier war es spannend, zu erleben, in welche
Geschlechterrollen uns die Gesellschaft doch zwingt und dass es gar nicht so
einfach ist, sich davon aktiv zu befreien.
Am Abend gab
es die Möglichkeit, Filme zu schauen. Allerdings war ich dafür etwas zu
ausgelaugt, schloss mich aber dennoch einer sehr gelungenen „Werwolf“-Partie
an. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mal so etwas wie strategisches
Denken vorweisen und fiel danach stolz und zufrieden, aber sehr sehr müde ins
Bett.
Der
darauffolgende Donnerstag
drehte sich um Stress und
Zeitmanagement. Zwei Themen, die mich sehr beschäftigen. Zumal ich ein
Mensch bin, der bei übermäßig viel Stress und Hektik auch mal den Kopf
verlieren kann und deshalb alles im Voraus organisiert und plant.
Gelernt habe
ich, dass Stress nicht immer nur als negativer Aspekt betrachtet werden sollte.
Die Einstellung ihm gegenüber und der richtige Umgang mit ihm entscheiden, ob
er uns schadet oder sogar helfen kann. Das werde ich mir definitiv für die
Festspielzeit merken! Auf der anderen Seite war es auch schön zu sehen, dass es
noch mehr Menschen gibt, die gerne planen und organisieren. Nach dem Workshop
tauschten wir noch weiter unsere Erfahrungen mit Notizbüchern, To-Do-Listen und
geregelten Tagesabläufen aus.
Der Abend
brachte die offene Bühne – ein Format, dass uns bereits auf der ersten
Seminarfahrt sehr gefallen hat. Von den vielen imposanten musikalischen,
gesanglichen und lyrischen Beiträgen beflügelt, entschied auch ich, spontan ein
kleines Gesangssolo hinzuzusteuern.
Das Schönste
an dem ganzen Tag war allerdings die gemeinsame Germany’s Next Topmodel TV-Runde.
Auf kleinsten Raum quetschten sich sowohl Jungen als auch Mädchen auf Sofa und
Fußboden, um sich bei brüderlich geteilten Chips und Cola von den aktuellen
Laufsteggrazien unterhalten zu lassen. Für mich hatte es fast schon etwas
Familiäres da zu sitzen, eng an eng, und gemeinsam den Tag mit allen ausklingen
zu lassen.
![]() | ||
| Mit breitem Grinsen ging es für uns wieder Richtung Heimat |
Und damit
endete die 2. Seminarwoche auch schon wieder.
Abschließend
kann ich sagen, dass es, wie auch schon auf der ersten Fahrt, eine sehr
gelungene Woche war. Es gab viel, über das ich auch noch auf der Rückfahrt
nachgedacht habe. Die Denkanstöße, die man uns vermitteln wollte, sind bei mir
angekommen. Außerdem konnte ich meine Freundschaft zu vielen Freiwilligen
vertiefen.
Liebe/r
Nachfolger/in, versuche auf den Seminarfahrten so viel wie möglich mit allen Menschen
zu sprechen und zu interagieren. Ich weiß, die Zeit ist nur sehr begrenzt, aber
in so manch stillem Zimmernachbar oder der Person neben dir am Mittagstisch
verbirgt sich eine gute Seele, mit der man tolle Gespräche führen kann. Glaub
mir, es lohnt sich.
Bis bald.
Annalena




Kommentare
Kommentar veröffentlichen